Wie entsteht ein Ohrwurm – und wie wird man ihn los?

Ohrwurm

Wie entsteht ein Ohrwurm – und wie wird man ihn los?

Ein Moment Unachtsamkeit, ein kurzer Song auf dem Smartphone – und schon spielt sich eine Melodie unaufhörlich im Kopf ab. Dieses Phänomen kennen viele: den Ohrwurm. Doch wie entsteht dieser „musikalische Gast“ im Kopf wirklich? Und vor allem: Wie wird man ihn wieder los?


Was ist ein Ohrwurm?

Ein Ohrwurm ist ein unfreiwilliges musikalisches Wiederholen eines Liedes oder eines prägnanten Ausschnitts im Kopf – ohne äußere Musikquelle. In der Forschung nennt man dies involuntary musical imagery. Typischerweise handelt es sich nicht um bewusste Erinnerung, sondern Musik, die unser Gehirn automatisch abspielt.


Wie entsteht ein Ohrwurm?

Wissenschaftler:innen identifizieren mehrere Schlüsselfaktoren:

1. Wiederholung & Eingängigkeit

Songs, die häufig gehört werden oder melodisch eingängig sind – etwa durch Refrains oder Hooklines – landen besonders leicht im Kopf.

2. Überraschende Elemente

Auch unerwartete Tonfolgen oder rhythmische Besonderheiten erhöhen das Ohrwurmpotenzial eines Songs.

3. Kognitive Unterforderung

Ohrwürmer entstehen oft bei einfachen oder wiederkehrenden Tätigkeiten wie Spazierengehen, Putzen oder Autofahren, wenn das Gehirn unterfordert ist.

4. Emotionale Verbindung

Bedeutet ein Lied etwas – positiv oder negativ – erhöht sich seine Chance, sich als Ohrwurm festzusetzen.


Was passiert im Gehirn?

Ohrwürmer entstehen durch die Interaktion verschiedener Gehirnregionen – ein komplexes Zusammenspiel aus Wahrnehmung, Erinnerung und Bewegung.

  • Der auditive Cortex, genauer gesagt der primäre auditorische Cortex im Temporallappen, ist dafür zuständig, Melodien, Tonhöhen und Rhythmen zu erkennen und zu verarbeiten. Er spielt eine zentrale Rolle dabei, wie Musik zunächst überhaupt im Gehirn ankommt.
  • Der präfrontale Cortex steuert unter anderem unsere Aufmerksamkeit und das sogenannte „Arbeitsgedächtnis“. Er ist dafür verantwortlich, dass wir eine Melodie innerlich wiederholen, selbst wenn keine Musik mehr gespielt wird. Dieses „innere Mitsingen“ geschieht oft automatisch – wir nehmen es meist erst dann wahr, wenn wir es nicht mehr loswerden.
  • Motorische Areale, wie der supplementär-motorische Cortex, sind ebenfalls beteiligt. Sie erklären, warum wir bei einem Ohrwurm unbewusst mit dem Fuß wippen, mit den Lippen die Melodie formen oder sogar zu summen beginnen. Das Gehirn verbindet Musik stark mit Bewegung – ein evolutionäres Überbleibsel, das auch unsere Reaktion auf Rhythmus erklärt.
  • Das limbische System, vor allem die Amygdala, spielt eine unterstützende Rolle. Es bewertet Musik emotional. Besonders stark bewertete Lieder – also solche, die uns besonders berühren oder nerven – haben ein höheres Ohrwurmpotenzial, da das Gehirn emotionale Inhalte leichter speichert und unbewusst hervorholt.

Zwischen diesen Bereichen entsteht eine neuronale Schleife: Der auditive Cortex liefert das Klangmaterial, der präfrontale Cortex hält es im Gedächtnis aktiv, motorische Areale setzen es teilweise körperlich um – und die emotionale Bewertung sorgt dafür, dass es sich festsetzt. Diese Schleife kann sich so verselbstständigen, dass sie sogar dann weiterläuft, wenn wir uns auf ganz andere Dinge konzentrieren wollen – das macht den Ohrwurm so hartnäckig.


Wer ist besonders anfällig?

Laut Umfragen erleben über 80 % der Menschen regelmäßig Ohrwürmer. Besonders betroffen sind:

  • Menschen mit musikalischer Sensibilität oder Aktivität
  • Personen mit intensiver innerer Stimme
  • Frauen berichten häufiger über Ohrwürmer
  • Menschen mit emotionaler Offenheit

Welche Songs eignen sich als Ohrwurm?

Musikforscher identifizierten typische Merkmale:

MerkmalWirkung
Hookline / RefrainPrägnante Einprägung
WiederholungFördert Erinnerbarkeit
Tonhöhe / IntervalleÜberraschende Übergänge helfen
Tempo ca. 120 BPMTypisch für eingängige Popsongs
Emotionale TexteStarke Assoziation im Gedächtnis

Wie wird man einen Ohrwurm wieder los?

1. Song gezielt anhören

Das vollständige Hören des Liedes kann den inneren Loop unterbrechen und abschließen.

2. Kognitive Ablenkung

Mittel anspruchsvolle Aufgaben wie Lesen, Rätsel oder Gespräche helfen, weil sie das Arbeitsgedächtnis besetzen.

3. Kaugummi kauen

Durch das Kauen werden motorische Sprachprogramme aktiviert, die das innere Mitsingen unterdrücken.

4. Ersatz-Melodie („Gegenohrwurm“)

Ein neutraler, wenig emotional besetzter Song kann den aktuellen Ohrwurm überlagern – dabei sollte man aber aufpassen, nicht direkt den nächsten Ohrwurm zu starten.

5. Akzeptanz & Humor

Mit dem Ohrwurm spielerisch umgehen – z. B. summen oder variieren – kann helfen, den psychischen Druck zu senken.


Wann wird ein Ohrwurm problematisch?

Normalerweise sind Ohrwürmer harmlos – sie verschwinden meist nach wenigen Minuten oder Stunden. Problematisch wird es, wenn:

  • sie über Tage persistieren
  • zu Zwangsgedanken führen
  • den Alltag stark beeinträchtigen

In solchen Fällen kann professionelle Unterstützung sinnvoll sein.


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Fun Fact

Der Song „Bad Romance“ von Lady Gaga gilt als einer der häufigsten Ohrwürmer weltweit – gefolgt von Songs wie „Can’t Get You Out of My Head“ oder „Bohemian Rhapsody“. Interessanterweise wurden diese Songs von den Komponist:innen bewusst so gestaltet, dass sie im Kopf bleiben.


Fazit: Was du mitnehmen kannst

Ein Ohrwurm ist ein faszinierender Beleg dafür, wie stark unser Gehirn Musik internalisiert – unabhängig davon, ob wir das wollen. Obwohl Ohrwürmer lästig sein können, helfen einfache Strategien wie Ablenkung, bewusstes Anhören oder Kaugummikauen, um sie loszuwerden. Und manchmal reicht schon ein humorvoller Umgang, um ihnen den Schrecken zu nehmen.

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