Wie sind Redewendungen wie „jemandem einen Korb geben“ entstanden?

einen Korb geben

Wie sind Redewendungen wie „jemandem einen Korb geben“ entstanden?

Sprachliche Bilder aus dem Alltag

Redewendungen begegnen uns ständig – wir machen uns „aus dem Staub“, stehen „auf dem Schlauch“ oder „geben jemandem einen Korb“. Letztere Formulierung wird vor allem dann verwendet, wenn jemandem ein Liebesgeständnis oder eine Bitte abgeschlagen wird. Aber woher stammt diese merkwürdige Redensart eigentlich?

In diesem Artikel klären wir die Herkunft, die Bedeutung und den geschichtlichen Hintergrund der Redewendung „jemandem einen Korb geben“ – und warum Sprache oft mehr mit dem Alltag vergangener Jahrhunderte zu tun hat, als wir denken.


Was bedeutet „jemandem einen Korb geben“?

Die Redewendung bedeutet: Jemanden abweisen oder zurückweisen, meist im Zusammenhang mit einer romantischen Annäherung oder einem Vorschlag.

Beispiele:

  • „Ich habe ihr meine Gefühle gestanden, aber sie hat mir einen Korb gegeben.“
  • „Der Bewerber bekam vom Chef leider einen Korb.“

Die Formulierung „einen Korb geben“ klingt freundlich, ist aber eindeutig: Der andere hat „Nein“ gesagt – und das ohne direkte Konfrontation. Genau darin liegt wohl auch der Grund für ihre Beliebtheit im Sprachgebrauch.


Die Herkunft: Woher kommt „einen Korb geben“?

Tatsächlich gibt es zwei historische Erklärungsansätze, wie sich die Redewendung „einen Korb geben“ entwickelt haben könnte. Beide stammen aus dem Mittelalter oder der frühen Neuzeit und zeigen, wie eng Sprache und Alltag früherer Zeiten miteinander verwoben waren.


Variante 1: Der Korb am Fenster

Früher war es in vielen Städten üblich, dass unverheiratete Frauen in der oberen Etage eines Hauses wohnten. Wenn ein junger Mann um eine Frau warb, stellte er sich unten vor ihr Fenster. Um miteinander zu kommunizieren – und manchmal auch um kleine Gaben auszutauschen –, ließen die Frauen Körbe an Seilen herab, in die die Männer Geschenke, Briefe oder Blumen legen konnten.

Wenn die Frau den Verehrer nicht wollte, ließ sie entweder keinen Korb herunter – oder sie schickte den Korb leer wieder hoch. Damit war die Botschaft eindeutig: „Ich bin nicht interessiert.“ So bekam der Mann sprichwörtlich „einen Korb“ – eine stille, aber klare Absage.


Variante 2: Der Korbsitz-Test

In einer anderen Deutung, vor allem im höfischen Umfeld, gab es angeblich Korbsitze, die an Seilen befestigt waren. Mit diesen konnten die Bewerber zur Geliebten auf den Balkon gezogen werden – ein romantisches, aber auch öffentlich sichtbares Werberitual.

Wenn die Frau den Mann nicht empfangen wollte, wurde der Korb nicht hochgezogen oder sogar mit einem Ruck wieder heruntergelassen – eine ebenso wortlose wie wirkungsvolle Zurückweisung. Das Bild vom „Korb bekommen“ ist also in beiden Varianten sehr bildhaft – und zeigt, wie höflich, aber unmissverständlich Ablehnung schon damals kommuniziert wurde.


Sprachlicher Wandel: Vom Bild zur Redewendung

Was einst wörtlich gemeint war – ein leerer Korb oder das Nicht-Hochziehen –, wurde mit der Zeit zur festen Redewendung. Heute sagt niemand mehr wortwörtlich „Du bekommst einen Korb“ und reicht ein Flechtwerk – aber das Bild ist geblieben.

Die Redewendung „jemandem einen Korb geben“ ist ein Beispiel dafür, wie sich sprachliche Bilder verselbstständigen können. Sie funktionieren auch dann, wenn wir den ursprünglichen Bezug nicht mehr kennen – weil die emotionale Bedeutung weiterhin klar ist.


Warum sind solche Redewendungen so langlebig?

Redewendungen leben von Bildern, die emotional verständlich und sozial einprägsam sind. Sie drücken etwas aus, was sonst umständlich oder unangenehm zu formulieren wäre. Statt direkt zu sagen „Du bist abgelehnt“, sagen wir „Ich habe ihm einen Korb gegeben“ – das wirkt weicher, fast harmlos, obwohl es das Gleiche bedeutet.

Solche Wendungen erfüllen gleich mehrere Funktionen:

  • Sie vereinfachen Kommunikation
  • Sie entemotionalisieren Konflikte
  • Sie schaffen kulturelle Verbindlichkeit – wer die Redewendung kennt, versteht sofort, was gemeint ist

Vergleichbare Redewendungen

Auch viele andere Sprichwörter und Redewendungen haben eine konkrete, oft kuriose Herkunft:

RedewendungBedeutungHerkunft
Einen Korb gebenJemanden abweisenFensterbräuche oder höfische Rituale
Die Flinte ins Korn werfenAufgebenJäger geben das Jagen auf
Jemandem einen Denkzettel verpassenEine Lehre erteilenFrüher schriftlicher Hinweis oder Strafe
Durch die Lappen gehenEntkommen lassenBei der Jagd durch Tücher (Lappen) entwischen
Etwas aus dem Ärmel schüttelnEtwas scheinbar mühelos tunWeite Ärmel der Mode, z. B. bei Zauberern

Regionale Varianten und andere Sprachen

Auch andere Sprachen nutzen Bilder, um Ablehnung auszudrücken:

  • Französisch: poser un lapin – wörtlich: „ein Kaninchen setzen“ → bedeutet, jemandem versetzt worden zu sein
  • Englisch: to get the cold shoulder – „die kalte Schulter zeigen“
  • Niederländisch: iemand een blauwtje laten lopen – sinngemäß: jemanden „blau anlaufen“ lassen = eine Abfuhr erteilen

Das zeigt: Kulturelle Bildsprache ist universell – die Formen variieren, aber der Zweck bleibt gleich.


Verwendung heute – digital und höflich

Auch im Zeitalter von Tinder, WhatsApp und Co. hat sich das Prinzip erhalten. Die Form der Abfuhr ist oft modern, aber die Bedeutung bleibt gleich:

  • „Ghosting“ ist im Grunde eine besonders drastische Form des „Korb gebens“
  • Ein neutral formuliertes „Danke für dein Interesse, aber ich denke, wir passen nicht zusammen“ ist die höfliche Variante
  • Selbst im Berufsleben werden Angebote heute freundlich, aber bestimmt „mit einem Korb“ zurückgegeben

Externer Lesetipp

Wer sich für die Entstehung deutscher Redewendungen interessiert, findet auf der Seite der Geo-Geolino viele spannende Erklärungen:
https://www.geo.de/geolino/redewendungen/


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Fazit: Einen Korb geben – mehr als nur eine höfliche Abfuhr

Die Redewendung „jemandem einen Korb geben“ ist ein sprachliches Fenster in die Vergangenheit. Sie erinnert uns daran, dass selbst moderne Formulierungen oft auf Jahrhunderte alte Bräuche zurückgehen. Und sie zeigt, wie wir mit Sprache Gefühle ausdrücken können – ohne verletzend zu sein. Wer also das nächste Mal abgewiesen wird, weiß: Das Bild vom Korb hat eine lange Geschichte – und ist sprachlich klüger, als es scheint.

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